Die im Flugbetrieb für das Kabinenpersonal geltende tarifliche Ruhezeit und Erholungsurlaub schließen einander nicht aus. Der Arbeitgeber sei deshalb nicht verpflichtet, die Arbeitseinsätze der Arbeitnehmer so zu planen, dass Ruhezeiten nicht in bereits genehmigten Erholungsurlaub des Arbeitnehmers fallen, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seiner Entscheidung vom 23.05.2018.
Im vom BAG entschiedenen Fall klagte eine bei der Deutsche Lufthansa AG beschäftigte Flugbegleiterin auf Feststellung, dass ihr Arbeitgeber verpflichtet ist, in genehmigte Urlaubszeiten fallende Ruhezeiten nicht mit dem Urlaubsanspruch zu verrechnen.
Der auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anwendbaren Manteltarifvertrag (MTV) Nr. 2 für das Kabinenpersonal der Deutsche Lufthansa AG definiert in § 4 Ruhezeit als eine zusammenhängende Zeit von mindestens 10 Stunden, während der ein Mitarbeiter von Dienstleistungen jeglicher Art befreit ist. Innerhalb einer 24-Stunden-Periode ist jedem Mitarbeiter eine Ruhezeit von mindestens 10 Stunden zu gewähren. Eine 24-Stunden-Periode beginnt zu dem Zeitpunkt, an dem eine Ruhezeit endet.
Die Beklagte plant den Einsatz der Klägerin monatlich in sog. Umläufen (Flüge über einen oder mehrere Tage). Im August und November 2014, Februar und Juni 2015 sowie im April 2016 fielen sich dem Einsatz der Klägerin anschließende Ruhezeiten ganz oder teilweise in deren bereits genehmigten Erholungsurlaub. Dies hielt die Klägerin für unzulässig. Die Beklagte müsse die Umläufe vielmehr so planen, dass Ruhezeiten nicht in den Erholungsurlaub fielen.
Die Klage wurde erstinstanzlich durch das Arbeitsgericht Frankfurt am Main abgewiesen (Urteil vom 19.04.2016, 24 Ca 9318/15). Das Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main hat die daraufhin eingelegte Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 27.03.2017, 17 Sa 806/16).
Das BAG wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. Ruhezeit und Erholungsurlaub schließen einander nicht aus. Die Beklagte sei deshalb nicht verpflichtet, die Arbeitseinsätze der Klägerin stets so zu planen, dass Ruhezeiten nicht in bereits genehmigten Erholungsurlaub fallen.
Aus der Definition aus § 4 MTV Nr. 2 könne gefolgert werden, dass tarifliche Ruhezeit der festgelegte arbeitsfreie Zeitraum zwischen dem Ende einer Arbeitsperiode und dem Beginn der nächsten ist. Mit diesem Inhalt entspreche die Tarifnorm auch dem unionsrechtlichen Verständnis des Art. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, wonach die Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ einander ausschließen, das auch für den Begriff der Ruhezeit in § 5 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) maßgeblich sei, so das BAG.
Der MTV Nr. 2 enthalte keine Vorgaben, aus welchen Gründen der arbeitsfreie Zeitraum arbeitsfrei ist. Ob der Arbeitnehmer die ihm zustehende Ruhezeit zwischen zwei Arbeitseinsätzen erhalten habe, hängt allein davon ab, ob er einen den tariflichen Regelungen entsprechenden Zeitraum von jeglicher Arbeitsleistung befreit war. Weil der Arbeitnehmer während des Erholungsurlaubs erklärtermaßen von jeglicher Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt sei, könnten Ruhezeit und Urlaub zusammenfallen. Der potenziellen Gleichzeitigkeit von Ruhezeit und Erholungsurlaub stehe auch die Regelung in § 4 4. Abschnitt A Abs. 2 MTV Nr. 2 nicht entgegen, wonach die Ruhezeit zweckentsprechend zu verwenden sei. Denn auch während des Urlaubs dürfe der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit ausüben. Beiden Zeiträumen sei damit gemein, dass sie ausschließlich der Erholung des Arbeitnehmers von den Belastungen der Arbeit und seinem Freizeitbedürfnis dienen. Anhaltspunkte für die Annahme, es entspreche dem Willen der Tarifvertragsparteien, dass Ruhezeit und Erholungsurlaub einander ausschließen und sich nicht überlappen dürften, bestünden nicht.
Nationales Gesetzesrecht und Unionsrecht stünden einem Zusammenfallen von Ruhezeit und Erholungsurlaub ebenfalls nicht entgegen, so das BAG weiter. Die Regelung zur Ruhezeit in § 5 ArbZG fände auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Über die Verweisung in § 20 ArbZG gelten für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Besatzungsmitglieder von Luftfahrzeugen die Vorschriften der ORO.FTL.105 Nr. 21, welche Ruhezeit als einen fortlaufenden, ununterbrochenen und festgelegten Zeitraum im Anschluss an den Dienst oder vor dem Dienst, in dem das Besatzungsmitglied frei von Dienst, Bereitschaft und Reserve sei, definiere. Dass eine Zeitspanne, während derer das Besatzungsmitglied weder arbeiten noch dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen müsse, nicht gleichzeitig Ruhezeit und Erholungsurlaub sein kann, ergebe sich weder aus dem Wortlaut der ORO.FTL noch den Zwecken von Urlaub und Ruhezeit. Der Zweck des unionsrechtlichen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub liege nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darin, dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen (EuGH, Urteil vom 29.11.2017, C-214/16). Nichts anderes bezweckt die Ruhezeit, wenn ORO.FTL.110 (g) dem Arbeitgeber auferlegt, Ruhezeiten von ausreichender Länge festzusetzen, die es den Besatzungsmitgliedern ermöglichen, sich von den Auswirkungen des vorausgegangenen Dienstes zu erholen und zu Beginn der darauffolgenden Flugdienstzeit ausgeruht zu sein. Anforderungen an das Verhalten der Arbeitnehmer in der Ruhezeit stellen die ORO.FTL im Übrigen nicht.
Fazit: Auch wenn die Entscheidung des BAG aus Arbeitnehmersicht nachteilig ist, da sie mit einer Einbuße an Freizeit einhergeht, ist sie in der Sache sicherlich vertretbar, da bei Ruhezeiten arbeitsschutzrechtliche Belange maßgeblich sind und der Zweck einer Ruhezeit grundsätzlich nicht darin besteht, ein Mehr an Freizeit zu vermitteln. Die Möglichkeit, Ruhezeit und Erholungsurlaub zu verrechnen gibt der MTV Nr. 2 zudem her, da dieser bei der Ruhezeit lediglich eine Arbeitsbefreiung von einer bestimmten Dauer voraussetzt. Der Grund für die Arbeitsbefreiung ist dabei egal, kann also auch Urlaub sein.
(Quelle: BAG, Urteil v. 23.05.2018, 5 AZR 303/17)