Klagen Beschäftigte gegen ihre Kündigung und gewinnen vor dem Arbeitsgericht, hat das Arbeitsverhältnis ununterbrochen bestanden und der Arbeitgeber schuldet das Gehalt, auch für die Zeit nach dem Ablauf der Kündigungsfrist, obwohl in dieser Phase in der Regel keine Arbeit mehr geleistet wurde. Das ist der Anspruch auf den so genannten Annahmeverzugslohn nach § 615 BGB. Das Risiko, diesen nach dem Kündigungsschutzverfahren an den obsiegenden Arbeitnehmer zahlen zu müssen, ist häufig das Motiv für die Zahlung einer Abfindung im Rahmen eines außergerichtlichen oder gerichtlichen Vergleichs.
Allerdings heißt es in § 615 BGB auch, dass sich Beschäftigte auf diesen Anspruch den Wert desjenigen anrechnen lassen müssen, was sie hätten verdienen können, wenn sie es nicht „böswillig unterlassen“ hätten, eine ihnen zumutbare Arbeit anzunehmen. Sie dürfen sich also nicht „auf die faule Haut legen“.
Aber welche Anstrengungen müssen Beschäftigte unternehmen, damit ihnen kein böswilliges Verhalten vorgeworfen wird? Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 27. Mai 2020 – 5 AZR 387/19) hat hier zuletzt die Anforderungen erhöht und verlangt vom Arbeitnehmer, dem Arbeitgeber Auskunft zu erteilen über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge und über die Ergebnisse der entsprechenden Bewerbungsbemühungen. Mehr noch: Es stelle ein Indiz für die Böswilligkeit darstellt, wenn Beschäftigte sich nicht bei der Agentur für Arbeit melden oder ihre übrigen sozialversicherungsrechtlichen Pflichten vernachlässigen (Urteil vom 12. Oktober 2022 – 5 AZR 30/22). Kurz gesagt dürfen sie sich „typischen Informationsangeboten – etwa denen der Agentur für Arbeit und der Jobcenter“ nicht verschließen.
Diese Entwicklung hat das Interesse der Arbeitgeber geweckt, die die Zahlung des Annahmeverzugslohns vermeiden wollen und so gibt es inzwischen einige Urteile, die die Grenzen des Erforderlichen näher definieren:
- So soll der Arbeitgeber nach Auffassung des LAG Köln (Urteil vom 27.04.2023, 8 Sa 793/22) vom Arbeitnehmer nicht verlangen können, ihm über die Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit hinaus Auskunft über sämtliche weiteren Bewerbungsbemühungen zu erteilen.
- Dem LAG Hamburg (Urteil vom 06.04.2023, 8 Sa 51/22) wiederum genügt es nicht, wenn der Arbeitgeber einfach behauptet, es seien geeignete freien Stellen zu besetzen. Der Arbeitgeber müsse darlegen, dass diese dem Arbeitnehmer auch bekannt gewesen seien.
- Manche Arbeitgeber bieten gar selbst ein so genanntes Prozessarbeitsverhältnis an, um das Risiko des Annahmeverzugs zu vermeiden. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer allerdings zuvor eine fristlose verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen, verhält er sich aber widersprüchlich, wenn er ihm nun doch wieder Arbeit anbietet (Bundesarbeitsgericht, 29.03.2023, 5 AZR 255/22). Denn damit macht der Arbeitgeber deutlich, dass die weitere Zusammenarbeit angeblich unzumutbar ist.